Heute ist schon viel möglich, wenn es darum geht einen Menschen durch chirurgische Methoden zu verjüngen oder seinen individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Kosmetik und Methoden aus dem großen Bereich der Wellness bieten die Möglichkeit, das Wohlbefinden zu verbessern – wir fühlen uns wohl in unserer Haut, wir fühlen uns besser. Nehmen wir uns selber aber auch positiver und schöner wahr, wenn wir uns wohlfühlen?
Wir sind dieser Sache einmal mit wissenschaftlichen Mitteln nachgegangen, um den Nachweis zu führen, dass es sich bei diesen Hypothesen um mehr als nur Spekulation handelt. Dabei haben wir uns ganz konkret die Frage gestellt, ob eine reduzierte psychologische Befindlichkeit zu einer negativen Wahrnehmung insbesondere der Attraktivität des eigenen Gesichts führt. Mit anderen Worten, finden wir uns hässlich, wenn wir unglücklich sind? Und wenn ja, sind wir eher bereit uns Eingriffen der plastisch-ästhetischen Chirurgie zu unterziehen, wenn wir nicht gut drauf sind? Es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, dass jemand, der sich ohne medizinische Notwendigkeit aus Schönheitsgründen operieren lässt „nicht normal“ sein kann.
Um diese Fragen zu klären haben wir 325 weitgehend gesunde Menschen (162 Frauen und 163 Männer) im Alter zwischen 18 – 30 Jahren gebeten an einem psychologischen Test teilzunehmen, um die momentane psychologische Befindlichkeit zu klären. Auf diese Weise konnten ca. 10% dieser Menschen als momentan niedergeschlagen / depressiv identifiziert werden, was in etwa dem in Deutschland zu erwartenden Wert entspricht.
Alle Freiwilligen haben außerdem einen speziellen von uns nach den Methoden der Medizinischen Psychologie entwickelten Fragebogen beantwortet. Hier ging es insbesondere um die Einschätzung des eigenen Aussehens, den Erfolg im Umgang mit anderen Menschen und die Bereitschaft sich Schönheitsoperationen zu unterziehen. Um die Möglichkeit zu haben, das Aussehen unserer Probanden unabhängig und damit „objektiv“ beurteilen zu lassen, haben wir Fotos (u.a. ernst, lächelnd, lachend) dieser Teilnehmer angefertigt. Die Attraktivität der Teilnehmer wurde dann anhand von Fragebögen von weiteren 308 Freiwilligen beurteilt.
Mit diesen Methoden hatten wir also die Möglichkeit drei Dinge zu erfassen:
- Wie sieht der Teilnehmer sich selber, d.h. findet er sich gut aussehend?
- Wie ist der Teilnehmer „drauf“? Ist er vielleicht depressiv / schlecht gestimmt?
- Wie sehen andere diese Person?
In unserem Experiment kamen wir zu dem Ergebnis, dass Teilnehmer mit einem normalen psychologischen Wohlbefinden sich in der Tat attraktiver empfunden haben als diejenigen mit depressiver Stimmungslage. Ferner zeigte sich, dass die 308 freiwilligen unabhängigen Fremden im Durchschnitt keinen Unterschied zwischen dem Aussehen der depressiv verstimmten und dem der normal gestimmten Teilnehmer sahen. Damit konnten wir eindeutig nachweisen, dass die Teilnehmer mit gestörten Wohlbefinden nicht unattraktiver waren als die Probanden, die „gut drauf waren“. Psychologisch niedergeschlagene Teilnehmer gaben ferner an, ein geringeres Interesse am Umgang mit Mitmenschen und ein geringeres Interesse an der Pflege des eigenen Körpers zu haben. Das Interesse an ästhetischer Chirurgie war in der Gruppe der niedergeschlagenen Teilnehmer nicht größer als in der Gruppe der normal befindlichen Teilnehmer. Damit ist einmal mehr bewiesen, dass Menschen, die sich ästhetischer Chirurgie unterziehen nicht generell als „gestört“ eingestuft werden dürfen.
Wir müssen die Menschen, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen in ihrer gesamten Konstitution betrachten. Eine Verbesserung des Wohlbefindens durch z.B. allgemeine begleitenden Maßnahmen der Kosmetik, der Wellness und auch der körperlichen Fitness sind wünschenswert. Menschen, die tatsächlich depressiv (chronisch niedergeschlagen ohne konkreten Grund) sind, benötigen darüber hinaus Unterstützung und Beratung.
Weiterführende Literatur
Springer et al. (2012): Mirror, mirror on the wall…: Self-perception of facial beauty versus judgment by others, under edition
Springer et al. (2011): Facial self-perception, Well-Being and Aesthetic Surgery. Ann Plas Surg, in press
Springer Zernial O, Nölke F, Warnke PH, Wiltfang J, Russo PAJ, Terheyden H, Wolfart S (2008): Gender and Nasal Shape – Measures for Rhinoplasty. Plastic and Reconstructive Surgery 121, 629-37
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Springer I, Zernial O, Warnke PH, Wiltfang J, Russo PAJ, Wolfart S (2009): Nasal Shape and Gender of the Observer – Implications for Rhinoplasty. Journal of Cranio-Maxillofacial Surgery, in press
Springer IN, Zernial O, Wiltfang J, Warnke PH, Terheyden H, Wolfart S (2007): Gesichtsästhetik Teil 1: Die Bedeutung der Symmetrieebene des Gesichts. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie 11, 145-51
Springer IN, Wannicke B, Wiltfang J, Warnke PH, Zernial O, Terheyden H, Wolfart S (2007): Gesichtsästhetik Teil 2: Auswirkung Symmetrischer und Asymmetrischer Veränderungen der Orbitaregion. Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie 11, 233-7